Tatort Ozeane

Alles, was wir jetzt dringend über Plastik wissen müssen!

Unsere Ozeane dienen seit Jahrzehnten als Mülldeponie für Plastikabfall. Fachleute gehen davon aus, dass wir bereits im Jahr 2050 mehr Plastikmüll in den Weltmeeren haben könnten als Fisch. Dieser Beitrag unserer Organisation Orange Ocean soll Zahlen, Fakten und Zusammenhänge aufzeigen. Damit verstehen wir als Konsumenten besser, warum die Vermüllung unserer Ozeane durch Plastik nicht nur eine gehypte Diskussion im Rahmen der Umweltdebatte ist, sondern eine akute, weltweite Bedrohung unserer Existenz darstellt. 

Die Menschheit hat weltweit 8,3 Mrd. Tonnen Plastik produziert, was vergleichbar ist mit 55 Millionen Jumbo Jets. Davon wurden 6,3 Mrd. Tonnen zu Müll, von denen nur lediglich 9% recycelt wurden. Über 90% des Plastiks wurde verbrannt, auf Deponien gelagert oder in der Umwelt, bzw. im Meer entsorgt. Laut der Ellen MacArthur Foundation landet heute bereits ein Müllwagen Plastik pro Minute im Meer – das sind rund 11 Mio. Tonnen pro Jahr, vergleichbar mit über 100.000 ausgewachsenen Blauwalen. Wenn wir nichts verändern, könnten es bis 2040 sogar rund 30 Mio. Tonnen Plastikmüll pro Jahr sein. Damit hätten wir ein Aufkommen von 646 Mio. Tonnen Plastik in unseren Weltmeeren. Und sobald das Plastik im Meer landet, sinkt es schnell in tiefere Wasserschichten und ist somit nicht mehr zu bergen. Es zerfällt mit der Zeit in kleinere Teile, setzt dabei Methangase frei, wird irgendwann zu Mikroplastik, aber baut sich biologisch niemals ab.

Insbesondere die Corona-Pandemie hat aufgrund der Hygienevorschriften im Lebensmitteleinzelhandel und der Gastronomie (Take Away), sowie aufgrund der Maskenpflicht weltweit wieder für einen wachsenden Plastikkonsum gesorgt. Wenn wir jetzt nicht handeln und neue Wege einschlagen, vermüllen unsere Ozeane unwiederbringlich. Ihre Bewohner sterben und auch wir Menschen werden massiven Schaden erleiden – ökologisch, ökonomisch und gesundheitlich.

Von den über 400 Mio. Tonnen Plastik, die weltweit jährlich produziert werden, sind rund 40% Einwegplastik, das nur für eine kurze Zeit genutzt wird – ein Designfehler, wenn man die sehr lange Zersetzungszeit ins Verhältnis nimmt.

Allein die Reduzierung der Einwegplastik-Nutzung wäre eine enorme Entlastung. Wenn wir uns täglich fragen, wie wir auf Einwegplastik verzichten können, wenn wir das Plastik in unseren Haushalten so häufig wiederverwenden wie möglich, wenn wir Produkte mit hohem Recyclinganteil kaufen und wenn wir Plastikmüll konsequent trennen, haben wir bereits viel erreicht! Durch unser Handeln motivieren wir andere, Gleiches zu tun und es entsteht eine Bewegung, die Industrie und Gesetzgeber veranlasst, nachzuziehen.

Die Weltmeere bedecken 71% unseres Planeten. Ohne sie würde es kein Leben auf der Erde geben. Sie liefern die Hälfte des Sauerstoffes, den wir einatmen, und damit mehr als alle Regenwälder zusammen. Sie absorbieren 26% der weltweiten CO2-Emissionen und sind Heimat für 80% des Lebens auf unserem Planeten. 3,5 Mrd. Menschen leben in unmittelbarer Nähe der Ozeane. 60% der Menschen nehmen lebensnotwendige Proteine über den Verzehr von Fisch auf.

Seit Jahrzehnten wird diese wichtige Lebensquelle schleichend beschädigt. Nun ist sie in Gefahr: Durch unseren rasant wachsenden Plastikkonsum wird im Jahr 2025 in den Ozeanen eine Tonne Plastik auf drei Tonnen Fisch kommen. Meereslebewesen, Fischerei, Tourismus und letztlich alle Menschen – durch die Aufnahme von Plastik über die Nahrungskette – nehmen erheblichen Schaden. Nur 1% des Plastiks ist aktuell biologisch abbaubar!

 

 

Kunststoffe – umgangssprachlich Plastik genannt – werden aus Erdöl hergestellt. Heute werden 6% der weltweiten Ölproduktion für die Herstellung von Plastik verwendet. In 2050 sollen es 20% sein. Damit würden allein durch die Plastikproduktion 15% der heutigen, globalen CO2-Emissionen kausiert. verbraucht. Plastik sind synthetische Polymere. Ausnahme sind die biologisch abbaubaren Plastikarten, die aber für nur 1% der heutigen Plastikproduktion stehen.


Der Grund dafür ist, dass synthetische Polymere sehr viel günstiger hergestellt werden können und die Produktion zum Teil keinen steuerlichen Abgaben unterliegt. Zudem wird die Gewinnung von Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen perspektivisch immer mehr mit der Versorgung unserer stark wachsenden Weltbevölkerung konkurrieren. Somit ist das Re-Design von Plastik auf Basis nachwachsender Rohstoffe aktuell keine skalierbare Lösung.

 

 

 

Es gibt vier wesentliche Plastikarten: PE (Polyethylene) entspricht 24% der weltweiten Plastikherstellung, PET (Polyethylene Terephthalate) entspricht 17%, PP (Polypropylene) 16% und PVC (Polyvinyl Chloride) 11%. Den Rest bilden PS (Polystyrene) und PUR (Polyerathane).

Man unterscheidet grundsätzlich zwei Größenarten von Kunststoffmüll im Meer: Makroplastik (größer als 5 Millimeter) und Mikroplastik (bis 5 Millimeter). Makroplastik – also größere Müllstücke wie Tüten, Flaschen und Behälter, Zigarettenfilter, Luftballons, Flaschendeckel oder Strohhalme – bildet die sichtbarste Form von Plastikmüll. Kunststoff gelangt über die Nahrungskette in den Körper der Tiere. Plastik wird mit Nahrung verwechselt, verstopft den Magen und führt zu toxischen Reaktionen. Die Tiere verenden.

Plastikteile sind biologisch nicht abbaubar und bleiben im Durchschnitt 400 Jahre in der Umwelt, bis sie zersetzt (nicht abgebaut!) sind: Eine Angelschnur braucht 600 Jahre, eine Einwegwindel oder Plastikflasche 450 Jahre, eine Plastiktüte 10-12 Jahre, ein Plastikbecher 50 Jahre, ein Zigarettenstummel 5 Jahre, eine Take Away Box aus Styrodur 50 Jahre. Die Zersetzungsgeschwindigkeit des Plastikmülls nimmt mit zunehmender Meerestiefe ab. Dunkelheit und Kälte bremsen den Zerfall. Außerdem sind 80% der Plastikabfälle so minderwertig, dass sich deren Einsammeln nicht lohnt.

Die University of Hawaii fand im August 2018 zudem heraus, dass bei der Zersetzung von Kunststoff durch UV-Strahlung messbare Mengen von Treibhausgasen (Methan) freigesetzt werden. Je kleiner die Plastikteile sind, desto höher ist der Anstieg der Treibhausgase. Bei der Menge an Plastikmüll auf unserem Planeten eine tickende Zeitbombe.

1950 lag die Plastikproduktion bei 1,7 Mio. Tonnen weltweit. 1990 waren es bereits 105 Mio. Tonnen, nur 10 Jahre später verdoppelte sich die Produktion und 2017 waren es 348 Mio. Tonnen. Heute sind es bereits über 400 Mio. Tonnen jährlich. Die Hälfte des jemals hergestellten Kunststoffs wurde seit dem Jahr 2000 produziert. Für 2030 werden 700 Mio. Tonnen und für 2050 sogar 1.800 Mio. Tonnen vorhergesagt. Das wäre eine Verfünffachung der Plastikproduktion in nur 30 Jahren, bei ca. 15-25% Zuwachs der Weltbevölkerung.

Die Plastikproduktion wird zum Großteil für Verpackungen verwendet (36%), gefolgt vom Baugewerbe (16%), Textilien (15%), Konsumentenprodukte (10%), Transport (7%), Elektronik (4%) und anderen (12%). Eines der Hauptprobleme ist, dass Verpackungen zu 72% nicht wiederverwertet werden: 40% landen auf Deponien und 32% verlassen das System, d.h. sie werden ungeordnet verbrannt oder im Meer verklappt. 40% des produzierten Plastiks ist zudem Einweg-Kunststoff.

Die Hauptproduzenten von Plastik waren 2013 China mit 25% Anteil an der weltweiten Plastikproduktion, gefolgt von Europa und Nordamerika (jeweils 20%), Asien (exklusive China und Japan) mit 16%, Afrika 7%, Südamerika 5%, Japan 4% und 3% der Rest der Welt.

Bis heute wurden 8,3 Mrd. Tonnen Kunststoff weltweit produziert. 6,3 Mrd. Tonnen davon wurden zu Plastikmüll, wovon 9% recycelt, 12% verbrannt und 79% auf dem Land und im Meer landeten.

Bis 1980 wurde der Plastikmüll ausschließlich auf Deponien gelagert oder im Meer verklappt. Ab 1980 begann die häufig filterlose Verbrennung von Plastik. Das Recycling wurde erst Ende der 80er Jahre in einigen Staaten begonnen. Heute werden über 40% des weltweiten Plastikmülls verbrannt oder recycelt. Die Recycling-Quoten für 2014 nach Regionen: Europa 30%, USA 9%, China 26%, Japan 25%. In Europa wurden die verbleibenden Reste zu 40% verbrannt und zu 30% in Deponien gelagert.

Wir Deutschen trennen 39% des Plastikabfalls und übergeben diesen der Abfallwirtschaft. Die Statistik weist dies als ,recycelt‘ aus. Das ist aber so nicht richtig, denn wir wissen nicht genau, was nach der Übergabe passiert. Das kann auch der Müllverkauf und die CO2-verursachende Verschiffung nach Asien sein. Dort wird unser Plastikmüll verbrannt und landet z.T. auch im Meer. So schätzt der WWF, dass in Europa die wirkliche Recycling-Quote bei nur 6% liegt.

Laut dem SPIEGEL kamen in Deutschland 2017 ganze 14,4 Mio. Tonnen Plastik neu zum Einsatz. 64% davon gingen in den Gebrauch, 36% davon wurden zu privaten und gewerblichen Endverbraucherabfällen. Nur insgesamt 5,6% der jährlichen Plastikproduktion werden in Deutschland wirklich recycelt und wieder in der Plastikproduktion eingesetzt (0,81 Mio. Tonnen). Das sind 15,6% auf die Endverbraucherabfälle gerechnet. Der Großteil (3,4 Mio. Tonnen) wurde verbrannt oder als Ersatzbrennstoff verwendet. 0,71 Mio. Tonnen sind Müllexporte (Exportüberhang). Ein Teil davon wird nach Asien verschifft. Alleine Malaysia hat im Jahr 2018 ca. 170 Tsd. Tonnen deutschen Kunststoffmüll angenommen.

Ein anderer Abnehmer unseres Plastikmülls ist Rumänien – Europas größte Mülldeponie – wo immer wieder illegale Mülltransporte gesichtet werden. 2018 hat die EU eine neue Richtlinie zu Verpackungen und Verpackungsabfällen verbschiedet, nach der in den Mitgliedsstaaten bis 2025 50% und 2030 55% der Plastikabfälle recycelt werden müssen – ein Anfang, aber sicherlich nicht ausreichend.

Europäisches und nordamerikanisches Plastik wird also in großen Mengen nach Asien zur Entsorgung verschifft – legal und illegal. Damit bessert der Westen seine Recyclingquoten auf und trägt zur hohen Luftverschmutzung und Vermüllung der Flüsse, Seen und Meere Asiens bei. Wir sollten bedenken, dass die Müllverschiffung dorthin bereits eine Klimasünde ist, da die Containerschiffe einen sehr hohen CO2-Ausstoß verursachen. Im Mai 2019 haben 187 Länder die rechtlich bindende UN-Konvention hinsichtlich Müllexporte unterzeichnet. Diese fordert, dass nur sortierter, gereinigter und wiederverwendbarer Plastikmüll gehandelt werden kann. Ein wichtiges Signal für den privaten Sektor und den Konsumenten.

Der Anteil des ,ungeordneten‘ Abfalls – d.h. Plastikmüll, der mit hoher Wahrscheinlichkeit im Meer landet – beträgt über 50% des nationalen Plastikmülls in den großen Plastikmüll-Ländern Asiens (China, Indonesien, Philippinen, Sri Lanka, Vietnam). China hat in 2018 alle Importe von Plastikmüll aus Europa und Nordamerika gestoppt, um die erhebliche Luft- und Umweltverschmutzung einzudämmen.

 

Neben den hohen Verschmutzungsgebieten an Asiens Küsten und dem Mittelmeer gibt es weltweit fünf Zonen, in denen sich der Großteil des meist schon zerriebenen Kunststoffmülls in Müllstrudeln sammelt (sogenannte ,Garbage Patches‘); zwei davon befinden sich im Pazifik, zwei im Atlantik und einer im Indischen Ozean.

 

Der größte Plastik-Müllstrudel ist der ,Great Pacific Garbage Patch‘ (GPGP), welcher letztes Jahr eine geschätzte Oberflächengröße von 1,6 Mio. km² (4,5 mal so groß wie Deutschland) und ein geschätztes Gewicht von 79.000 Tonnen hatte.

2017 befanden sich bereits 150 Mio. Tonnen Plastikmüll in den Weltmeeren, und jedes Jahr kommen rund 10 Mio. Tonnen hinzu. Diese stehen für 60-95% des Meeresmülls. Es wird behauptet, dass 80% aus Flüssen und 20% direkt von den Küsten und der Schifffahrt ins Meer gelangen (Abfall aus Netzen, Bojen, Containerunfällen, Aquakulturen, Verklappung etc.).

Diese 80/20-Relation kann man jedoch in Frage stellen, da keiner genau weiß, was tatsächlich auf den Weltmeeren und an den Küsten geschieht. Da mehr als die Hälfte des Great Pacific Garbage Patches aus dem Abfall der Fischereiwirtschaft besteht und 90% des weltweiten Handels mit Containerschiffen transportiert wird, ist insbesondere die Dunkelziffer über die wirkliche Verunreinigung durch die Schifffahrt wohl weit höher. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung hat 2017 herausgefunden, dass Flüsse weltweit bis zu vier Mio. Tonnen Plastikmüll ins Meer spülen, 90% davon aus den zehn größten Flüssen von denen acht in Asien liegen. Auch diese Zahlen weisen darauf hin, dass der Anteil der Verschmutzung durch Flüsse viel geringer und der der Schifffahrt und Küstengebieten entsprechend höher liegen müsste.

35% des Oberflächenplastiks befindet sich im Nordpazifik, 22% im Indischen Ozean, 21% im Nordatlantik, 9% im Mittelmeer, 8% im Südpazifik und 5% im Südatlantik. Diese Zahlen dienen als Indikation für die gesamte Verschmutzung der Meere. Auffällig ist der verhältnismäßig hohe Verschmutzungsgrad im Mittelmeer. Europa ,entsorgt‘ jedes Jahr 150.000 bis 500.000 Tonnen Makroplastik ins Mittelmeer. Hinzu kommen 70.000 bis 130.000 Tonnen Mikroplastik. Dieser Müll wird dort zur gravierenden Bedrohung für die Tier- und Pflanzenwelt. Die Mikroplastik-Konzentration im Mittelmeer ist fast viermal so hoch wie die des Plastikwirbels, der im nördlichen Pazifik entdeckt wurde.

Laut UNEP befindet sich 15% des Abfalls an der Meeresoberfläche, 15% in den mittleren Schichten und 70% liegen bereits auf dem Meeresgrund – die 3sat-Dokumentation ,Die Plastikflut‘ vom Februar 2019 vermutet, dass es sogar 99% sind.

Die Kosten durch den Meeresmüll werden von der UNEP auf 8 Mrd. USD jährlich geschätzt – Tendenz steigend. Plastikmüll schadet dem Tourismus, birgt Gesundheitsgefahren für die maritime Tierwelt und Bevölkerung, beeinflusst den Fischfang, beschädigt die Fischereiflotten und vermüllt Strände und Küstenstreifen. Allein der Tourismus erleidet 622 Mio. USD jährlichen Schaden durch vermüllte Strände. Bali hat deshalb Ende 2017 den Müll-Notstand ausgerufen. Aber auch der Verlust des Rohmaterials Plastik selbst bedeutet einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 80-120 Mrd. USD jährlich.

Die ökologischen Schäden sind vielfältig. Einerseits verenden zwischen 57.000 und 135.000 Wale, Robben und Seehunde jährlich in freischwimmenden Tauen und Netzen (sogenannte Geisternetze). Des Weiteren wird die Nahrungskette der Tiere erheblich gestört: Schildkröten verwechseln Plastik mit Quallen, Fische verwechseln Plastik mit Krill, Seevögel verwechseln Plastik mit Fischen, und Wale nehmen Tonnen an Mikroplastik als ,falsches Plankton‘ auf, welches Mikroplastik selbst mit Nahrung verwechselt.

Der Großteil der über 1.300 marinen und küstennahen Tierarten trägt bereits heute erhebliche Mengen an Plastik in ihren Körpern, leidet unter der Vermüllung der Meere und verendet letztendlich. Die Ozean-Konferenz der UN bezifferte im Jahr 2017, dass durch Plastikmüll jährlich bis zu 1 Mio. Seevögel, 100.000 Meeressäugetiere, Meeresschildkröten und unzählige Fische sterben.

Mikroplastik wird hauptsächlich durch Abrieb von Autoreifen, die industrielle Produktion (Granulate, Textilien, Farben, Haus- & Straßenbau) und auch durch Textilien, Kosmetika und Waschmittel sowie die Zersetzung des Makroplastiks im Meer verursacht. 2018 fanden österreichische Wissenschaftler von der Medizinischen Universität Wien in einer weltweiten Studie Mikroplastik in menschlichen Stuhlproben. Mikroplastik wurde auch in Mineralwasser gefunden: das Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe (CVUA) fand 2017 in allen 38 getesteten Mineralwassern Mikroplastik – egal ob aus Plastik- oder Glasflaschen.

Eine im selben Jahr von Orb Media in Auftrag gegebene Untersuchung von Leitungswasserproben weltweit ergab, dass 83% Mikroplastik enthielten. Mikroplastik wurde auch in Bier, Meeressalz und sogar in Honig gefunden. Prof. Gerd Liebezeit von der Universität Oldenburg geht davon aus, dass Mikroplastik überall in der Atmosphäre zu finden ist und deshalb Lebensmittel von der Luft aus kontaminiert werden.

Die möglichen Gefahren, die von Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit ausgehen, werden gerade weltweit erforscht. So hat z.B. das Bundesforschungsministerium dafür ein großes Studienprogramm mit 18 Projekten aufgelegt. Man geht derzeit davon aus, dass das Mikroplastik in Organe und Körperflüssigkeiten gelangt und dort höchstwahrscheinlich Gesundheitsschäden hervorruft.

Unser Einfluss beginnt bei uns selbst. Auch wenn der Verzicht (von Plastik) heute für eine Belohnung in der Zukunft (saubere, intakte Meere) für uns Menschen abstrakt ist, so müssen wir uns klar machen, dass wir schneller handeln müssen, als es die Politik vermag – denn in einer Demokratie laufen Entscheidungsprozesse graduell und möglichst konsensual und damit zu langsam für das Ausmaß dieser Umweltkatastrophe.  Wenn wir nach dem Prinzip der 5“Rs“ (reduce, reuse, replace, recycle, remove) leben, haben wir schon eine Menge bewirkt. Das heißt konkret:

– auf Plastikverpackungen, bzw. -behälter (wie z.B. kleine Tüten bei Obst und Gemüse) und Produkte mit Mikroplastik (Kosmetika, Waschmittel) verzichten, sowie Lebensmittel im Haushalt in Mehrwegbehältern aufbewahren;

– Plastikbehälter häufiger wiederverwenden;

– Plastikverpackungen durch andere Materialien wie Glas, Papier oder biologisch abbaubare Materialien ersetzen;

– Einweg-Plastikverpackungen meiden und Produkte mit hoher Recyclingquote bevorzugen (z.B. Mehrwegflaschen).

– Und es sollte selbstverständlich sein, dass der eigene Kunststoffabfall von Partys und Outdoor-Events entsorgt wird und man Müll bei Freizeitaktivitäten in der Natur einfach mitnimmt – und idealerweise auch den von Dritten.

Die konsequente und richtige Mülltrennung ist genauso wichtig wie das Vermeiden von Plastikverschmutzung im Urlaub. Auch im täglichen Gebrauch kann man einiges ändern, beispielsweise durch die Benutzung eines besonderen Waschbeutels für Textilien aus Mikrofasern (bspw. Vlies), damit kein Mikroplastik ins Abwasser gelangt. Es gibt zudem auch bereits Mikroplastikfilter für den Wasserhahn und Apps (beispielsweise CodeCheck) zur Erkennung von Produkten, die Mikroplastik enthalten. Ganz konkret könnten wir eine Million Tonnen Plastikmüll (ca. ein Drittel des gesamten Plastikmüllaufkommens der privaten Haushalte) pro Jahr in Deutschland einsparen, wenn wir auf folgende fünf Dinge verzichten würden:

  1. Plastik-Einkaufstüten
  2. Plastik-Lebensmittelverpackungen (Obst/Gemüse, Wurst/Käse)
  3. Plastik-Einwegflaschen
  4. To-Go-Becher
  5. Plastikgeschirr-/besteck bei Outdoor Parties/Grillen

 

Wir alle können jeden Tag etwas tun und einen wichtigen Beitrag leisten. Wir müssen das Plastik „aus unseren Köpfen fischen“, damit es möglichst wenig in den Umlauf kommt. Denn sobald es im Meer landet, sinkt es schnell ab und ist somit nicht mehr erreichbar. Es schadet unserer Umwelt und letztlich uns.

Hier geht es zum Orange Ocean PlasticCheck – dieser Plastik-Rechner hilft, ganz einfach im Alltag Plastik einzusparen: https://orangeocean.org/de/plasticcheck/

Nationale und supranationale Institutionen müssen zuallererst ihre eigenen Verpackungsrichtlinien überdenken. Deutschland produziert 457 Kg Müll pro Kopf pro Jahr – davon sind 38 Kg Plastikmüll. Die Industrie muss zum Handeln veranlasst werden: Überfällig ist der Erlass von Vorschriften für schadstofffreies Plastik, das entweder wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar ist.

Wir brauchen ein Plastikmüll-Emissionsbudget analog CO2, das die Staatengemeinschaft verbschiedet, um somit klare Vorgaben für eine „Zero Plastic Waste“-Zielerreichung zu erlassen. Auf dem Weg dorthin könnten Einwegplastikzertifikate bzw. eine Einwegplastiksteuer entsprechende Lenkwirkung entfalten. Wir brauchen Verbote für die Verwendung von Mikroplastik in Kosmetika und Waschmitteln und die Abschaffung von steuerlichen Subventionen. Wir brauchen eine effiziente und transparente Abfallwirtschaft und ein verbessertes Recyclingsystem, sowie die Abschaffung von Müllexporten in Entwicklungsländer – jede Nation sollte schon aus Gründen der CO2-Einsparung ihren Plastikmüll vor Ort „managen“. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die 2019 in Kraft getretene UN-Verordnung zu weltweiten Müllexporten. Wir brauchen die konsequente Entsorgung von Kunststoffmüll an Häfen und Stränden und eine finanzielle Unterstützung der Schifffahrt zur Rückführung von Plastikmüll.

Zur Reduktion von Plastikartikeln und -verpackungen wurde in 2018 EU-Richtlinie zum Verbot von bestimmten Produkten aus Einwegplastik verbschiedet, die bis 2021 in nationales Recht umgesetzt werden soll.

 

Immer mehr Unternehmen übernehmen Verantwortung für ihr Handeln, ergänzen ihre kommerziellen Interessen um Umweltschutzziele und bauen diese in ihre DNA ein. So entstehen neue Metriken für die Unternehmen der Zukunft, die eine Balance zwischen wirtschaftlichen, sozialen und vor allem ökologischen Zielen schaffen. Ein Umstand, der für aufgeschlossene Verbraucher und Mitarbeiter immer relevanter in ihrer Entscheidung für das richtige Produkt, bzw. den richtigen Arbeitgeber wird. Die Corona-Krise hat nochmals das Bewusstsein der Verbraucher für Umweltthemen geschärft. So gaben – bei einer von Capgemini im Sommer 2020 durchgeführten Studie – 79% der befragten Käufer an, dass sie Wert auf soziale Verantwortung, Inklusivität und Umweltfreundlichkeit legen.

Immer mehr Unternehmen nutzen recyceltes Plastik für die Herstellung ihrer Produkte und Verpackungen und sogar Baufirmen nutzen recyceltes Plastik für die Entwicklung von Straßen und Häusern. Einzelhändler ersetzen Plastikverpackungen durch Laserkennzeichnung auf Bio-Gemüse und -Früchten und viele Unternehmen aus der Bekleidungsindustrie verweden recyceltes Plastik für die Produktion ihrer Bekleidung. So entstehen immer mehr Produkte, die nicht auf neuen Kunststoff rekurrieren, sondern bereits heute die zunehmenden technischen Möglichkeiten einer sich rasant entwickelnden Recycling-Wirtschaft nutzen. Und immer bessere Mülltrennung- und Recyclingverfahren sind die Basis für eine angehende Kreislaufwirtschaft.

Auch in Deutschland entstehen gerade verschiedene Initiativen, die die Plastik-Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven angehen. So entwickelt z.B. cirplus eine digitale Handels-Plattform für recyceltes Plastik, Flustix bietet ein Nachhaltigkeitslabel an, das Produkte und Verpackungen auf den Plastikgehalt prüft und zertifiziert und der gemeinnützige Inkubator ProjectTogether hat in 2019 bereits die ActOnPlastic Challenge gestartet, die die 100 besten Lösungen für einen Alltag ohne Plastik sucht. Und dies sind nur einige Beispiele stellvertretend für eine steigende Zahl von innovativen Industrielösungen.

Auch der Handel muss insbesondere die Verwendung von Einwegplastik wesentlich reduzieren. Viele deutsche Lebensmitteleinzelhändler haben Plastiktüten verbannt, verwenden weniger Verpackungskunststoff insb. für Obst und Gemüse und bieten Produkte ohne Mikroplastik an. Einige Handelsunternehmen integrieren sogar ihre Entsorgungsprozesse vertikal in ihre Wertschöpfung, um diese entsprechend qualitativ besser kontrollieren zu können.

Aber auch die Finanzwirtschaft hat unsere Meere als wichtigen und schützenswerten Lebens- und Wirtschaftsraum entdeckt. Unter dem Stichwort „Blue Economy“ werden Anlagemöglichkeiten in diese achtgrößte Wirtschaft der Welt aufgezeigt. Nach Schätzungen des WWFs beträgt die Wirtschaftsleistung jährlich 2,5 Billionen US-Dollar, der Wert der Meeresressourcen wird sogar auf über 24 Billionen US-Dollar geschätzt. Diese gelte es zwingend zu erhalten – zumal sie auch für die Biodiversität unseres Planeten eine entscheidende Rolle spielen und so letztlich auch das Leben und Überleben der Spezies Mensch garantieren.

Wir stehen noch ganz am Anfang einer wichtigen Entwicklung hin zu einer wirklichen Kreislaufwirtschaft („Circular Economy“). Damit eng verzahnt werden „Zero Waste“ Konzepte für Haushalte und Städte immer stärker greifen. Die nächsten Jahre werden viele innovative Lösungen des Kunststoffproblems hervorbringen. Eine neue Industrie entsteht, die der Wirtschaft wichtige Impulse geben wird. Das Plastik der Zukunft muss schadstofffrei, recycelbar bzw. kompostierbar sein.


Das Meer ist Lebensquelle und Sehnsuchtsort für uns Menschen. Aber wir stehen vor einer „zweiten Klimakatastrophe“‘. Die Plastikverschmutzung unserer Ozeane ist weit fortgeschritten und die Konsequenzen sind bereits dramatisch und langfristig.

 

Und die gute Nachricht? Als Konsumenten nehmen wir eine zentrale Rolle ein. Mit unserem Einkaufs- und Entsorgungsverhalten können wir die Plastikverschmutzung der Meere stark einschränken und ein wichtiges Signal an Industrie und Politik senden. Die größte Gefahr für unseren Planeten ist der Glaube, jemand anderes wird ihn retten. Jeder von uns kann etwas tun – jeden Tag!

Quellenangaben

3sat, 2019: Die Plastikflut, Ausstrahlung 21.02.19

Alfred-Wegener-Institut, 2018: 10 Fragen und Antworten zum Müll im Meer

CVUA, 2018

Deutsche Meeresstiftung, 2018; Die Weltmeere verdrecken durch Abwässer und Plastikmüll

Deutsche Meeresstiftung, 2018a: Das Problem Plastikmüll muss in erster Linie an Land gelöst werden

Deutsche Welle, 2017: Es gibt 8,3 Milliarden Tonnen Plastik auf der Welt

Ellen MacArthur Foundation, 2016: The new plastics economy – rethinking the future of plastics; 2019: New plastics economy global commitment

Greenpeace, 2018: Key Facts about plastic pollution

Mater: Collection 2019

National Geographic, 2018: Planet or Plastic? Fast facts about plastic pollution

NDR.de, 2015: Plastikteilchen in Lebensmitteln gefunden

Orb Media, 2017: Synthetic Polymer Contamination in Global Drinking Water

Ourworldindata, 2018: Plastic Pollution

Plastic Oceans, 2018: A Plastic Ocean

Science et Avenir, 2017: Le plastique colonise les ocean

SPIEGEL, 2019: Ausg. 4; Mogelpackung – Von wegen Vorreiter: Deutschlands Recycling-System ist Müll, S. 10-21

Suga, 2019

The Pew Charitable Trusts / SYSTEMIQ, 2020: Breaking the plastic wave

UNEP, 2016: Marine Plastic Debris & Microplastics

United Nations, 2017: The Ocean Conference

University of Hawaii, 2018: Greenhouse gases linked to degrading plastic

wlw Inside Business, 2021

WWF, 2017: Plastikmüll in den Weltmeeren

WWF, 2018: Wege aus der Plastikfalle

Zeit Online, 2018: Das Plastik in uns

The PEW charitable trust / systemiq, „Breaking the plastic wave“.

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